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Bericht von Finn Engl im Auslandsjahr

  • Mittwoch, 07. Dezember 2022
  • Michael Oelschlegel

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  • Schule

Unser Schüler Finn Engl aus der letztjährigen Klassenstufe 9 hat den großen Schritt gewagt und ist für ein Schuljahr ins Ausland gegangen. Das Land seiner Wahl ist dabei Costa Rica. Hier nun ein ausführlicher Bericht von ihm für alle Schülerinnen und Schüler des BG zu seinen ersten Monaten in der Fremde.

Bericht von Finn Engl im Auslandsjahr

Liebe Schülerinnen und Schüler des Burg-Gymnasiums,



hallo, hier ist Finn aus der 10b und ich verbringe gerade die 10 Klasse im Ausland in Mittelamerika.


Ich lebe jetzt seit fast vier Monaten im Nordosten Costa Ricas in einem kleinen Dorf mit ca. zweihundertfünfzig Einwohnern. Zu meiner costaricanischen Gastfamilie zählen: Meine Eltern, 62 und 63 Jahre alt, meine 21-jährige Gastschwester Nasdyalt, die noch im Haus mit uns wohnt und meine 37-jährige Schwester Karol, die mit Ehemann und zwei Töchtern im Nachbarhaus wohnt. Die dritte und älteste Schwester Alexandra lebt in Cartago, einer zwei Autostunden entfernten Stadt.


Warum ich nach Costa Rica gegangen bin? - Ich wollte eine völlig andere, fremde Kultur kennenlernen, die weniger stark westlich geprägt ist als beispielsweise die USA. Zudem wollte ich eine neue Sprache lernen, die nicht auf unserer Schule angeboten wird und man in sehr vielen Ländern auf der Welt spricht. Letztendlich wollte ich in ein warmes Land :). Mein Bruder hat schon vor mehr als 10 Jahren die 10te in Bolivien gemacht. Das hat mich zudem motiviert diesen Schritt zu gehen und mich für ein Auslandsjahr in einem spanisch sprechenden Land zu bewerben.
Costa Rica wird auch „die Schweiz Zentralamerikas“ genannt da es das sicherste, ökonomischste, ökologischste und zahlungskräftigste Land Mittelamerikas ist.
Da Costa Rica nahe am Äquator liegt, herrscht hier ein sehr tropisches Klima und gibt es nur zwei Jahreszeiten: Regenzeit und Trockenzeit. Mai - Oktober Regenzeit und Dezember – März Trockenzeit. Das Wetter spielt hier sehr verrückt also muss man immer einen Regenschirm dabeihaben. Morgens prallt die Sonne und nachmittags kann es auch mal in Massen regnen.
Dieses Jahr regnete es mehr als sonst, vor allem im Oktober und November hat es in einigen Orten in der Nähe von Flüssen Überflutungen in Wohnhäusern, Einkaufläden etc. gegeben. Leider auch viele Verwüstungen und Verletzte/Tote. Glücklicherweise war der Regen in meiner Region nicht so stark, jedoch konnten wir nicht reisen, weil viele Straßen gesperrt waren.
Das hat mir aber gar nichts ausgemacht, denn eigentlich macht man die besten Erfahrungen seines Auslandsjahres mit seiner Gastfamilie im Alltagsleben. Und als Tipp, falls ihr ein Auslandjahr machen wollt, erwartet nicht zu viel und nehmt euch nicht zu viel vor, wo ihr überall hinwollt und was ihr alles von dem Land sehen wollt, sondern lebt einfach das Leben so weiter, wie ihr es zuhause gemacht habt und seid offen für alles Neue, was auf euch zukommt!
Mein Fehler war am Anfang, dass jeder Tag speziell für mich sein sollte oder ich jeden Tag ein Abenteuer erleben muss. Mein Gastvater hat mir dann gesagt, dass ich in einem Jahr nicht alles von Costa Rica sehen kann, selbst er mit seinen 63 Jahren kennt nicht das ganze Land.
Mit der Sprache komme ich jetzt gut zurecht. Am Anfang musste ich immer wieder nachfragen was dies und das heißt, aber man glaubt gar nicht wie schnell man eine neue Sprache lernen kann, wenn man in dem Land selbst lebt. Ich selbst hatte nur das wenigste Grundwissen davor und jetzt verstehe ich mehr Spanisch als Französisch, dass ich schon seit vier Jahren in der Schule lerne. Außerdem spricht die Mehrheit der Ticos (so nennt man die Costa-Ricaner) kein Englisch und somit ist man gezwungen Spanisch zu reden.
Zur Natur:





Als ich das erste Mal die Natur in echt gesehen hab, konnte ich nicht glauben, wie grün hier alles ist. Die riesigen Bananenblätter, Kaffeeplantagen, Kokospalmen, Avocado-Bäume, usw.
Ich habe so viele neue Früchte ausprobiert, es gibt Märkte die nur Früchte und Gemüse verkaufen, sie heißen „Ferias“. Da gibt es gefühlt über fünfzig verschiedene Arten von Früchten, die nicht mal meine costaricanische Familie kennt! Nicht nur Früchte, die Pflanzen- und Tiervielfalt ist so groß wie in keinem anderen Land. Deshalb wird auch sehr oft die Floskel „Pura Vida!“ verwendet, das bedeutet so viel wie „Pures Leben!“. Nicht selten grüßen sich die Menschen auch auf der Straße mit „Pura Vida“. Hier kommen wir auch schon zum nächsten Punkt:


Gesellschaft:



Die Menschen in Costa Rica sind sehr offen und freundlich. Sie sind sich physisch sehr nahe, beispielsweise bei einer normalen Unterhaltung berühren sie Arme, Schultern oder legen einen Arm um die Person. Bei Begrüßung und Verabschiedung küsst man sich auf die Wange. Hier ein Bild von einem Familientreffen mit anderen Austauschschülern, rechts mein Vater am Arbeiten:
Im Allgemeinen lebt die Gesellschaft in Costa Rica noch traditioneller: die Mutter ist in der Küche und der Vater am Handwerk. Homosexualität wird anerkannt, es werden jedoch immer wieder Witze innerhalb der Familie oder in der Schule gemacht. Mit Rassismus ist es das gleiche. Ich denke aber dies existiert in jedem beliebigen Land.
Hier in Costa Rica wie auch in anderen Ländern Amerikas, sind Arm und Reich sehr gespalten. Es gibt eine Unterschicht, eine Mittelschicht und eine Oberschicht. Die Obere Schicht hebt sich nochmal viel stärker ab als in Deutschland, beispielsweise indem sie einen anderen Freundeskreis haben, in anderen Supermärkten einkaufen, ihre Kinder auf eine Privatschule schicken oder Bildung von Kunst und Musik wichtig nehmen. Ich persönlich finde es sehr schade, dass die Schichten sich so voneinander distanzieren, und bekomme es auch selbst im Alltagsleben zu spüren, wenn ich im Saxophonunterricht in einer Musikschule bin oder im Gegensatz mit Klassenkameraden mal einfach Basketball spiele…man lernt verschiedene Menschen kennen, die traurigerweise nichts miteinander zu tun haben wollen.
Beziehungen im Jugendalter bedeuten hier meist nicht viel, bis man volljährig wird – da wird es dann erst ernst. Geheiratet hat man früher im jungen Alter, (meine Gastmutter hat mit siebzehn geheiratet.) Darüber hinaus hat sie zwölf Geschwister. Doch die Gesellschaft entwickelt sich und heutzutage kann das Land fast mit Deutschland mithalten.


Zur Familie:
Die Familie in Costa Rica wird hier sehr wichtig genommen. Unter der Woche die Zeit innerhalb der Familie verbracht. Am Wochenende kann man sich dann mit seinen Freunden treffen. Es ist üblich, dass man im Elternhaus wohnt, bis man anfängt zu arbeiten und normalerweise lebt die Familie das ganze Leben sehr nahe zusammen.
Oftmals leben dann Onkel, Tante, Cousins und Cousinen, Nichten und Neffen auf einer sogenannten „Finca“. Das ist eine Mischung aus Wohngemeinschaft und einer Farm, man teilt sich Garten und hat Tiere, beispielsweise Hühner für Eier oder Hunde/Katzen einfach nur zum Spaß. Das ist aber nur auf dem Land so, es gibt auch Großstädte wie San José, hier sieht das Leben anders aus, da dort die Mehrheit der Oberschicht wohnt.


Schule:


Ich stehe jeden Morgen um 5.30Uhr auf, da hier die Schule um 7Uhr morgens beginnt. Man duscht sich morgens vor der Schule und nach der Schule nochmals mit Kaltwasser, da es kein warmes gibt, einige Klassenkameraden von mir 3-mal am Tag, da man durch das feuchtwarme Klima mehr schwitzt als in Deutschland. Ich laufe einen halben Kilometer zur Schule. Alle Schüler sind verpflichtet eine Uniform zu tragen und das ganze Schulgebäude ist mit Zaun und Stacheldraht umzäunt. Beim Betreten und Verlassen des Schulgeländes wird die Schülerkarte kontrolliert. Wir haben sehr viele Fehlstunden pro Woche. Es gibt „Lehrerkonferenzen“, wo dann mal eine Woche schulfrei ist. In den ersten zwei Monaten hier, sind zwei Lehrer an Alkoholkonsum gestorben. Wir anschließend „aus Respekt vor den Verstorbenen“ eine weitere Woche schulfrei.
Mit den Examen komme ich noch nicht so gut zurecht wegen den Sprachschwierigkeiten, doch schneide ich im Allgemeinen mit 60 von 100 Punkten nicht schlechter ab als meine Klassenkameraden.
Einmal im Monat kommt bei uns die Polizei mit einem Spürhund vorbei, der nach Drogen in den Rucksäcken schnüffelt. Das letzte Mal wurden wieder drei Schüler von insgesamt vierhundert meiner Schule ertappt.

Essen:



Es wird morgens mittags und abends warm gegessen. „Gallo Pinto“ ist das typische Essen hier. Es wird oft und egal zu welcher Jahreszeit gegessen.
Normalerweise werden dazu Rührei oder „Platanos“ = Kochbananen verzehrt. Was mir hier aufgefallen ist, dass kein Wasser getrunken wird, sondern „Fresco“ = Softdrinks oder selbst gemachter Saft aus Zitronen, Orangen, Cas, Guanavana, Jocote, …
Am meisten isst man Reis und Bohnen oder „Picahillo“ = gewürfelte „Chayote“ = Gemüse, dass Zucchini ähnelt. Dazu Hackfleisch reingemischt.
Costaricanische „Tamales“ sind sehr beliebt hier, sie werden in Bananenblättern gekocht und hauptsächlich zur Weihnachtszeit gegessen.
Also wenn ihr überlegt, ein Auslandsjahr zu machen, macht es einfach, man hat nichts zu verlieren, ihr nämlich sehr viel zu gewinnen!
Aber was ich euch noch sagen will: dieses Auslandjahr ist schon jetzt meine beste Erfahrung, die ich je gemacht habe, das alles werde ich nie vergessen. Jeden Tag gibt's etwas Neues oder ich lerne etwas dazu... Die Zeit vergeht hier so schnell, wie ich nicht davor gedacht hätte. Ich fühle mich selbständiger, weil ich so einfach lebe, ohne dass meine Eltern viel für mich machen (nicht im Gegenteil dazu Zuhause). Ich fühle mich so frei, weil ich mit erst 15 Jahren einfach allein auf der anderen Seite der Welt bin und es ist so schön andere Kulturen und Leute kennenzulernen, die ganz anders denken als du selbst! Ein Austausch zu machen ist eigentlich das Beste, was man machen kann.


Grüße aus El Roble de Santa Barbara, Costa Rica
Finn

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